
KOFFERGESCHICHTEN – #2 SÜDAFRIKA IM JULI? EINE KLEINE LIEBESERKLÄRUNG.
Ich werde wach. Es ist schon fast 7 Uhr und das bedeutet, ich habe gute 10 Stunden geschlafen. Trotz noch müder Augen spüre ich die Energie in jeder Faser meines Körpers.
Ich tappe im Dunkeln ins Bad, spüre die kalten Fliesen und die kalte Luft. Winter in Südafrika.
Im Wohnzimmer schalte ich die Klimaanlage mit Heizfunktion ein, mache mir einen Kaffee, schüttle die Kissen auf meinem Bett etwas auf, packe ganze vier Stück in meinen Rücken und mummle mich wieder unter die Decke.
Ich hatte mir vorgenommen zu schreiben. Endlich wieder schreiben. Und bin mir noch gar nicht sicher, ob ich überhaupt Worte finde. Oder ob sie mich irgendwohin führen.
Ich klappe also den Laptop auf, organisiere den digitalen Schreibtisch ein wenig und lade ein neues Hintergrundbild hoch. Es zeigt die Gänse, die gestern vor meinem Fenster vorbeiflogen – und die ich im richtigen Moment fotografiert habe, obwohl ich kurz zuvor noch mit den Einstellungen für den Fokus kämpfte.


Es ist 07:39 Uhr. Langsam wird es hell. Der Atlantik hüllt sich fast vollständig in Nebel und lässt sich nur noch minimal erahnen, obwohl er direkt vor meiner Nase liegt. Noch ist es so kühl, dass ich mir bei geöffnetem Fenster die Decke bis unter die Nase ziehe – aber das Geräusch des Atlantiks ist zu schön, um es hinter Scheiben wegzusperren.
Mein Bett steht vor einer großen Fensterfront mit einer Art Austritt. Es lässt sich alles komplett öffnen, und während ich hier Buchstaben auf digitales Papier tippe, blicke ich auf das Meer. Ich sehe Containerschiffe, kleinere Segelboote, Möwen, Gänse… Ich spüre eine große, tiefe Ruhe in mir.
„Als wäre etwas geheilt, wovon ich nicht wusste, dass es kaputt war.“


Von Ideen, die größer werden, als man denkt
Südafrika im Juli.
Hatte ich nicht geplant.
Wir sprachen zwar immer wieder mal darüber, weil Luca hier sein Volontariat macht, aber es war nie wirklich ernst gemeint. Eher so eine Idee, die man mal ausspricht, mehr nicht. Hinzukommt: Es ist Winter in Südafrika. Und wer die Leichtigkeit des Sommers in Kapstadt kennt, kann sich nur schwer vorstellen, wie sich diese andere Zeit anfühlt. Die dunklen Monate in Deutschland sind so ewig lang – warum also sollte ich mir das auch noch in unserem Sommer antun?
Ich begann zu lesen und stellte das Internet auf den Kopf. Macht Kapstadt im Juli Sinn? Macht Südafrika im Juli Sinn?
Und es ist so, wie es oft ist im Leben: Wir können die Begrenzungen in unseren Köpfen nur überwinden, wenn wir Antworten auf unsere Fragen suchen, wenn wir uns informieren – und nicht einfach von Vorstellungen leiten lassen, die sich irgendwann mal verfestigt haben.
Raus aus der Komfortzone.
Und manchmal wartet dahinter mehr als nur das kleine große Glück.
Es ist mein erster Winter in Kapstadt, und ich habe keine Ahnung, wie es sonst so ist. Ich war eingestellt auf kühlere Temperaturen, Regen, Sturm – aber auch auf schöne Tage. Ein bisschen wie Sylt-Wetter.
In der Vorbereitung war mir vor allem wichtig, dass es nicht so ewig dunkel ist – wie wir das über viele Monate in Deutschland erleben. Aber selbst im tiefsten Kapstadt-Winter geht die Sonne um 7:45 Uhr auf und erst gegen 18 Uhr wieder unter.

Ich bin nun fast eine Woche hier, und meine Emotionen schlagen immer noch Purzelbaum. Es gibt so viel zu sehen und zu tun – und gleichzeitig habe ich das Gefühl, es reicht völlig, einfach nur zu sein. Rumsitzen. Gucken. Gedanken schweifen lassen. Diese tiefere, innere Ruhe ist wahrer Luxus. Und in unserem Alltag eine Rarität.
Würde mich jemand fragen, ob ich den Sommer oder den Winter in Südafrika schöner finde – ich könnte es nicht beantworten. Ganz nüchtern betrachtet: Diese antizyklischen Reisezeiten sind ziemlich perfekt. Das hatte ich vorher so gar nicht gesehen.
Es war wunderbar, im Februar nach Kapstadt zu fliegen. Während in Deutschland Dunkelheit und Tristesse an der Tagesordnung sind, tobt hier der Sommer – und zwar auf eine ziemlich gute Art. Ich hatte nie das Gefühl, dass es zu heiß ist, dank des Atlantiks vor der Tür. Die Nächte kühlen wunderbar ab, und man hat durch das Klima keine Mückenplage – wer das im Sommer an der Nord- oder Ostsee oder auch auf Mallorca erlebt hat, weiß, wovon ich spreche.
Aber es ist genauso wunderbar, im deutschen Sommer nach Kapstadt zu reisen. Warum? Weil es sich trotzdem ein bisschen wie Sommer oder später Frühling anfühlt – gemessen an dem, was wir aus Deutschland kennen. Die Temperaturen liegen aktuell zwischen 15 und 20 Grad. Gestern war ich in kurzen Hosen und Birkenstocks unterwegs.
Abgesehen davon: Es ist preislich unglaublich attraktiv. Eigentlich war mein Plan, fünf Tage nach Palma zu reisen – einfach nur ich, die Kamera und meine eigenen Vorlieben. Aber wie teuer ist Europa bitte im Sommer geworden? Gott sei Dank bin ich nicht mehr auf Ferien angewiesen. Gefühlt kann sich das doch kein Mensch mehr leisten.



Ich hatte keinen Zweifel daran, dass es schön werden würde. Im Juli. In Südafrika. Aber ich hatte keine Vorstellung davon, wie schön es werden würde. Und ich muss mich selbst ständig daran erinnern, nicht an den Rückflug zu denken. Das fühlt sich fast ein bisschen an wie Liebeskummer.
Und dann nehme ich mir einen Moment und erinnere mich daran, wie sehr ich meine Homebase in Leipzig liebe. Dass ich mich dort zuhause fühle. Dass meine Familie und Freunde in der Nähe sind. Und dass ich frei entscheiden kann, wann ich davon eine Pause brauche. Andere Kulturen. Andere Sprachen. Einfach: die Welt.
Nichts hat mich so sehr geformt wie die Reisen der letzten Jahre.
In jedem Fall dürft ihr euch auf ein paar mehr Koffergeschichten freuen.
Ihr wisst ja… das ist nie eine Abhandlung von touristischen Hotspots. Es ist eher ein bisschen so wie mit meinen Bildern: kleine unperfekte Liebeserklärungen.
Wir lesen uns bald wieder –
Andrea


9 Kommentare
Christine
So ein wunderschöner Text, liebe Andrea! Er klingt wie eine große Liebeserklärung 🥰 und warme Umarmung. Du hast die genau richtige Entscheidung getroffen, auf Mallorca hättest du aktuell keine große Freude. Dafür wird es im September um so schöner🤗 Genieße deine noch verbleibende Zeit in Südafrika und bis ganz bald 💖 Christine
Manuela Raddatz
Du liebe,
Deine Geschichten zu lesen ist immerwieder ein großer Denkanstoß für mich. Deine Sichtweisen und die Art, wie Du sie schreibst, einfach wunderbar. Alle Koffergeschichten wecken in mir die allergrößte Lust, mich auf den Weg zu machen… wer weiß, irgendwann. Noch gibt es zu viele Abers.
Es sind ja nicht nur die Geschichten, es ist das Wissen, wieviel Zeit Du drumherum investierst, um letztlich diese Geschichten schreiben zu können. Deine Art sich fremden Themen zu nähern, autodidaktisch, kraftvoll, offen, liebevoll und auch mit kritischem Blick.
Danke fürs mitnehmen, danke, für deine Motivation!
Drücker, Manu🫶🏻
Tantchen
Hast du mal wieder sehr schön zum Ausdruck gebracht.
Ich wünsche dir , euch noch eine sehr schöne Zeit dort.
Und komm bloß gesund zurück.
Ich hab euch lieb 🥰🥰🥰🥰
Maria Peerenboom
Oh, wieder einmal so toll be- bzw. geschrieben!! Du machst uns Laune aif Südafrika – egal zu welcher Jahreszeit!
Ich freue mich jedes Mal auf deine Koffergeschichten und habe sie heute mal für abends „aufbewahrt“, damit ich sie in Ruhe lesen und genießen kann.
Mach weiter so – genau so ist es und bist du richtig!! 😘
Katharina
Liebe Andrea, so ein schöner Text. Man fühl richtig mit. Und er macht so Lust, dieses tolle Land auch mal zu erleben. 😍
Marion Laube
Ach, du liebe Andrea, Ich sitze hier in der Mittagspause vom Home-Office auf der Terrasse und lese dabei deine zweite Koffergeschichte. Ich liebe, deine Art zu schreiben und deine Art zu reisen. Genauso muss reisen sein, mit viel Zeit für Gedanken und sich auch mal treiben lassen. Der Alltag ist stressig genug, da braucht man nicht noch Stress im Urlaub. Und alles, was man diesmal nicht sieht, schaut man sich halt beim nächsten Mal an. Es gibt so Orte, die man nie leid wird, die sich anfühlen wie nach Hause kommen. Genau das ist Südafrika/Kapstadt 🇿🇦 ja für dich.
Genieß‘ deine restliche Zeit, du machst das genau richtig und ich freu mich auf weitere Koffegeschichten!
Lg Marion
Tanja
Liebe Andrea,
Es hört sich einfach wunderschön an ! Ich hab Gänsehaut beim lesen bekommen 😍 hab noch eine wunderschöne Zeit ! Von Herzen Danke für deine Koffergeschichten ❤️
Dani
Eine Liebeserklärung für Kapstadt und den afrikanischen Winter … wenn das Herz schreibt.
Danke fürs mitnehmen und weiterhin eine wunderbare Zeit.
Alles Liebe Dani
Andrea
Ich liebe deine Geschichten…sie machen Lust auf Alles 🥰
Liebe Grüße, Andrea