#7 SUNDAYS… du musst tanzen…
Der Beginn meiner Woche war herausfordernd. Nicht wirklich schlimm herausfordernd, nur eben so, dass ich mir meiner Schwächen nochmal deutlich bewusster geworden bin. Nichts, was ich nicht schon wusste; ich kann es nur besser wahrnehmen und auch benennen.
Ich wünsche mir für mich noch mehr Souveränität mit mehr bewusster Schlagfertigkeit. Keine Schlagfertigkeit, die andere Menschen verletzt, sondern die, die eine Haltung klar signalisiert. Auf der einen Seite eine klare Haltung und auch der Wille, sich mit anderen Argumenten auseinanderzusetzen und einen konstruktiven Kurs einzuschlagen.
Noch ist es eher so, dass ich verstumme, mich zurückziehe und aus vermeintlicher Unsicherheit gute Argumente gar nicht erst anbringe. In meinen Dreißigern war ich eher wie eine Urgewalt unterwegs. Damit habe ich Menschen überrannt, und irgendwann wollte ich das ändern. Es ist ein bisschen ins Gegenteil umgeschlagen. Innerlich bin ich immer noch diese Urgewalt, aber ich habe sie gezähmt – etwas zu viel vielleicht.
Solange ich in den vergangenen 10 Jahren weitestgehend für mich alleine gearbeitet habe, hat sich diese Welt für mich in den vergangenen 13 Monaten verändert. Und Julian Nagelsmann hat es in den Pressekonferenzen der letzten beiden Tage ziemlich gut auf den Punkt gebracht: „Wir brauchen mehr gemeinsam.“
Kommunikation, Teamfähigkeit sind beides große Worte, und man liest sie oft in Stellenbeschreibungen. Aber gute Kommunikation und Teamarbeit sind Prozesse, die permanente Cleanups benötigen und ein Verständnis für mich als Mensch selbst sowie das Bewusstsein, dass jeder Tag Veränderung ist.
Mein Motor rollt also immer noch mit voller Kraft, nur eben etwas besonnener, was mit Ende 40 nicht wirklich verwunderlich ist. Was mich vor 10 Jahren noch aus der Fassung gebracht hat, entlockt mir heute nur noch ein Schulterzucken. Dafür gewinnen aber andere Dinge deutlich mehr an Gewicht. Dazu zählen Zeit, Gesundheit und Miteinandersein. Klingt fast schon abgedroschen, aber wir wissen, dass es so ist… in all dieser Einfachheit.
Ich bin also immer noch ein bisschen auf der Suche nach meiner Rolle im Leben, und die Veränderungen, die ich vor über einem Jahr angestoßen habe, lichten diesen Wald peu à peu. Geduld ist nicht zwingend eine meiner Tugenden, aber ich bin schon sehr viel besser darin geworden. Erstmal musste ich jedoch verstehen, dass dieser Umbruch Zeit braucht, bis er auch wirklich in der letzten Hirnzelle angekommen ist.
Jetzt verstehe ich noch besser, wie es sich für einen Sportler anfühlen muss, wenn er seine Leidenschaft an den Nagel hängt: Man nimmt den Fuß vom Gaspedal und muss die neue Rolle erstmal für sich definieren.
Alleine diese viele, freie Zeit ist irgendwie ein schöner Umstand, aber auch nicht immer so einfach für mich, wenn man über viele Jahre mit beiden Füßen auf dem Gaspedal stand. Zwischenzeitlich musste ich kurz aufpassen, nicht in Lethargie zu verfallen. Aber es kann ja auch nicht sein, dass man nur unter Stress richtig gut funktioniert… das geht auch anders… da bin ich mir sicher.
Was war so richtig schön diese Woche?
Ich habe diese Woche viel im Büro gelacht, und ich hatte ein schönes und langes Gespräch mit einer Kollegin, die ich noch nicht so richtig gut kenne.
Gestern war ich mit den Hunden bei uns im Viertel unterwegs. Ich grüßte hier und da Nachbarn und auf einmal wurde mir bewusst, wie sehr ich hier angekommen bin. Dass ich Kinder aufwachsen sehe, die mittlerweile Autos fahren und verliebt sind.
Es gibt viel Beständigkeit, etwas, was es lange Zeit in meinem Leben nicht gab. Eigentlich seitdem ich 13 Jahre alt war und wir aus der DDR geflüchtet sind. Die daraus resultierende Dynamik an ständigen Veränderungen von wichtigen Lebensumständen ist für mich rückblickend eine negative Begleiterscheinung gewesen, und dieses Gefühl von „Zuhause“ hat eine enorme Bedeutung für mich.
Freitag war ich mit meiner Freundin auf der Fanmeile – zum ersten Mal. Leipzig hat das toll organisiert, und dafür an dieser Stelle ein großes Dankeschön von meiner Seite. Clueso ist aufgetreten und es war einfach richtig schön. Wir haben gesungen, getanzt, gelacht und vielleicht auch ein bisschen gegrölt.
Das Spiel war großartig und am allerschönsten der Moment, als wir unser Tor gegen Spanien schossen. Alle sprangen in die Luft, fielen sich in die Arme, die Becher flogen nach oben und ergossen sich mit Bierduschen über den Massen. Ich hab noch nie so gerne Bier von oben abbekommen.
Und ich hatte Besuch von meiner Familie. Bonusfamilie. Der Kontakt zu meinen Eltern und meiner Schwester steht seit nun fast zwei Jahren auf „still“. Eine bewusste und schwere Entscheidung, die ich getroffen habe. Für mich. Ich bin sehr dankbar dafür, dass reflektiert aufarbeiten zu können mit Menschen, die den Rahmen wirklich kennen. Nichts hilft mehr, als zu reden und sich auch zu erinnern und auch die guten Momente zuzulassen.
Was nehme ich für mich aus dieser Woche mit?
Mit mehr Haltung für mich einzustehen und Unsicherheiten abzulegen, denn die sind an vielen Stellen nicht notwendig. Ich bin gut in dem, was ich tue, und das lasse ich mir immer noch zu gern ausreden.
Alles steht und fällt mit richtiger Kommunikation.
Wie das geht?
Um Himmels Willen, dafür gibt es keine eindeutige Anleitung. Was es aber gibt, sind gute Ansätze von sehr klugen Menschen und den eigenen Willen, nicht in selbst auferlegten Schubladen zu verweilen, sondern das Leben samt seiner Dynamik wahrzunehmen und ein bisschen Schritt zu halten. Unsere nachfolgende Generation macht das an vielen Stellen schon sehr gut, und das ist ein Weg, den wir weiter verfolgen sollten.
Mir weiterhin meine Offenheit zu bewahren und zu vertrauen. Die vergangenen Wochen waren sehr überraschend in dieser Richtung, und es macht mir unfassbar viel Freude, Informationen aufzusaugen, sie für mich zu filtern und ein besseres Verständnis für all das zu bekommen, was unsere Zeit, das Hier und Jetzt bewegt und wie ich darin selbst einen guten Weg einschlagen kann.
Ihr seht, ich kann die Dinge nur aus meiner Sicht schreiben, wie ich fühle und denke und in welche Richtung ich mich bewegen möchte. Nichts davon dient als weiser Ratgeber; im besten Fall ist es Inspiration.
Im nächsten Sunday’s Blogpost (ich lege mich nicht auf einen Termin fest) gibt es handfeste Inspiration in Form von Podcasts und Büchern, die mich in den vergangenen Wochen und Monaten richtig bewegt haben und die für mich selbst auch enorm hilfreich und ein bisschen wegweisend sind.
Aktuell gucke ich die neue Staffel von „New Amsterdam“. In einer Szene geht es darum, wie ein Vater versucht, Nähe zu seinem Sohn aufzubauen. Letztendlich scheitert das an den unterschiedlichen Erwartungshaltungen und unglücklich gewählten Momenten. Aber in einer Szene sagt Dr. Iggy Frome (der Krankenhauspsychiater) folgenden Satz:
Du kannst nicht steuern, wie die Liebe in dein Leben kommt.
Ich habe mir das aufgeschrieben. Weil es stimmt und weil wir eine bessere Wahrnehmung für diese Momente brauchen, auch wenn sie manchmal unglücklich gewählt sind.
Den schönsten Sonntag für Euch.
13 Kommentare
Jacqueline
Guten Morgen liebe Andrea
Deine Gedanken und Gefühle in dieser, deiner neuen Zeit ,sind wunderbar bereichernd
Auszusprechen, was bewegt und auch für Neues immer wieder die Türen geöffnet zu halten, vergessen wir zu oft in neuen Situationen
Manchmal viel zu angepasst, um ja nichts falsch zu machen, aber trotzdem das eigene Ich nicht zu verlieren, ist sehr herausfordernd
Ganz viele liebe Grüße Jacqueline
Charlotte chawa8855
Schön dich zu lesen. War gerade mein ‚Wort zum Sonntag‘
Liebe Grüße aus Mainz
Charlotte
Maria Peerenboom
Guten Morgen!
Wieder so schön und treffend geschrieben.
Ich habe mich oft in den Zeilen wiedergefunden und mich an viele Dinge erinnert gefühlt.
Danke dafür 😘
Ich wünsche dir den allerschönsten Sonntag und eine schöne (Arbeits-)Woche
Liebe Grüße
Maria
Heike
Hallo Andrea,
wie schön, wieder von dir zu hören.
So wahre Worte.
Ich wünsche dir einen schönen Sonntag und einen guten Start in die neue Woche!
LG Heike
Claudia
Es ist schön, wieder etwas von dir zu lesen.
Irgendwie spürt man( oder ich) eine Ruhe in deinen Zeilen . Du bist bestimmt auf dem richtigen Weg.
Auch für dich den allerschönsten Sonntag . Hier in Hamburg scheint die Sonne.
Andrea Bronold
Ich bin so berührt, dass ich gar nicht weiß wie ich es ausdrücken soll. Vielleicht wäre auch jedes Wort von mir zuviel, deshalb einfach…. danke für deine Worte
Andrea
Guten Morgen liebe Andrea, wie schön am Sonntag Morgen im Bett zu liegen und deinen Gedanken folgen zu dürfen. Dein Post wie immer, aus meiner Sicht, herausragend geschrieben und bereichernd.
Dir den allerschönsten Sonntag. LG Andrea
Monika
Liebe Andrea, wie schön das du da bist…..hab dich vermisst….. Liebe Grüße aus Hamburg ❤️
Annegret
Hallo Andrea. Danke für Deine Worte zum Sonntag. Die perfekte Begleitung zu meinem Morgenkaffee!!
Hab eine gute Zeit und viele Grüße nach Leipzig.
PS: Freue mich schon auf den angekündigten Sunday’s Blogpost, egal an welchem Sonntag.
Kathi
So schön von dir zu lesen 🙂
Sanni
Ach wie schön von dir zu lesen. Ich bewundere dich so sehr für deine treffenden Worte. Danke liebe Andrea.
Tanja Meiwes @millamiichen!
Liebe Andrea , es hat gerade sehr gut getan deine Zeilen zu lesen ! Danke ❤️
Brödnow Silke
ey Andrea 🩷
diese Worte ….
Grüße gehen raus an die Leipzig Gang 🫶🏻
das tat gerade so gut dich zu lesen
Kuss Silke